Bangladesh 2023


Einsatzbericht Ärztecamp International Bangladesh November 2023

Am 12. November 2023 verließ ein 8-köpfiges Team von „Ärztecamp International“ (ÄCI) (www.aerztecamp.de) München für eine 14-tägige „field mission“ in Bangladesh. Es handelte sich dabei um den 8. Einsatz von ÄCI in dem ostasiatischen Land in Zusammenarbeit mit der örtlichen Organisation „Friendship Bangladesh“.

Die Flugkosten wurden für das gesamte Team erneut von der „Emirates Airline Foundation“ übernommen (www.emiratesairlinefoundation.org).

Friendship (www.friendship-bd.org) ist eine NGO und Non-Profit-Organisation in Bangladesh, die sich der medizinischen Versorgung der armen Landbevölkerung verschrieben hat.

Für die Einsätze an Bord werden nationale und internationale Ärzte- Teams verschiedenster Fachrichtungen gewonnen.

Nach einem 12-stündigen Flug mit Zwischenstopp in Dubai landete das ÄCI-Team in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesh, am Morgen des 13. November. Die Einreise-Formalitäten hatten dann reichlich Zeit in Anspruch genommen, bis das gesamte Team schließlich durch den Zoll gehen konnte.

Auf Grund herrschender Unruhen tagsüber wegen der im Januar bevorstehenden Wahlen in Bangladesh musste das gesamte Team über Nacht in Dhaka bleiben ohne die Reise direkt fortsetzen zu können. Am frühen Morgen des 14. November konnte das Team um 4:00 mit 2 Minibussen nach Norden weiterreisen.

Nach 5-stündiger Fahrt über Tangail und Bogra erreichten die Wagen die Ufer des Brahmaputra River in der Region „Meghai Ghat“ auf halber Strecke zwischen Sirajganj und Gaibanda in unmittelbarer Nähe der Ortschaft Sariakandi.

Meghai Ghat liegt im Verwaltungsbezirk (Upazila) Kazipur, District Sirajganj, Division of Rajshahi, in den Nördlichen Territorien von Bangladesh (siehe Karten unten).

Mit einem landestypischen, flachen Holzkahn (Longboat) ging es dann eine halbe Stunde flußabwärts bis zum Einsatzort auf dem Hospitalschiff „Lifebuoy Floating Hospital“.

Das Hospital-Schiff

Die Lifebuoy (Lifebuoy Floating Hospital - LFH) ist ein ca. 50 Jahre alter, Anfang der 1990er Jahre zum Hospital-Schiff umgebauter, ehemaliger französischer Ölfrachter (siehe hierzu den Einsatz-Bericht von 2022). Die 2023 „field mission“ von Ärztecamp International wird der letzte Einsatz auf der Lifebuoy sein, bevor das Schiff in Dhaka aufs Trockendock geht, um über einen Zeitraum von 9 Monaten komplett überholt und renoviert zu werden.

Das Team Lifebuoy 2023

Dorothea Licht (Physiotherapy, Team- und Reise-Koordinatorin). Dr. Susanne Müller (Chirurgie). Dr. Florian Hasner (Chirurgie und Urologie). Dr. Stefan Beil (Kardiologie, Innere Medizin). Sylvia Brunthaler (Anästhesie- und Intensiv-Schwester). Dr. Pia Schuchmann (Pädiatrie). Dr. Denitsa Vusheva (Gynäkologie). Dagmar Eitenkötter (Physiotherapie).

Pro Team-Mitglied wurden 520 Euro in Eigenleistung für Hotel- Übernachtungen, Transport vor Ort im Land, sowie Unterkunft und Verpflegung auf dem Hospital-Schiff aufgebracht.

Medizinische Ausrüstung

Im Vorfeld wurden ca. 2.500 optische Brillen in Deutschland zur Anpassung und kostenlosen Verteilung an die einheimische Bevölkerung gesammelt und zum großen Teil schon optisch ausgemessen, um die Anpassung der Brillen vor Ort zu erleichtern und zu beschleunigen. Zur Durchführung der Narkosen und Operationen an Erwachsenen und Kinder n wurden große Mengen an medizinischem Material (Medikamente, Verbandsstoffe, Pflaster, Nahtmaterial, Netz-Implantate, orthopädische Bandagen und Orthesen, Gehstützen und Gehstöcke, Hände-Desinfektionsmittel, Spezialnadeln zur Spinalanästhesie) vor Ort gebracht. Ein sog. CTG (Cardiotokogramm) zur intraabdominellen Überwachung ungeborener Babies im Mutterleib wurde nach Bangladesh mitgebracht. Dieses Gerät wurde von Ärztecamp International für die Landklinik, die Friendship in Shyanmagar in den Sundarbans im Süden von Bangladesh betreibt, gespendet.

Der Tagesablauf auf der Lifebuoy

Anläßlich der jetzigen „field mission“ von Ärztecamp International fand auf der Lifebuoy am Vormittag des Ankunftstages (14. November) das Screening der 55 potentiell zu operierenden Patienten durch das chirurgische Team statt. Hieraus konnten 46 Patienten für 48 indizierte Eingriffe identifiziert werden.

Der OP-Plan wurde nach Beendigung des Screenings vom OP-Team zusammen mit dem leitenden Bordarzt für die gesamte Aufenthaltsdauer festgelegt und für jeden OP-Tag separat erstellt und ausgedruckt. Die tägliche OP-Zeit betrug im Durchschnitt 8 Stunden. Alle übrigen Fachabteilungen begannen mit ihrer Arbeit unmittelbar nach der Ankunft auf der Lifebuoy.

Bereits bei Sonnenaufgang warteten jeden Tag ca. 250 Patienten geduldig auf medizinische Behandlung und ihren Zutritt aufs Schiff. Jeden Tag bekamen um 6:00 früh 200 bis 220 Menschen ein Ticket vom Personal, das sie für die medizinische Behandlung an diesem Tag an Bord berechtigte.

Ab 7:45 erfolgte die tägliche Visite der tags zuvor Operierten im Shelter unter Mitwirkung des medizinischen Teams der Lifebuoy. Die Operationen starteten dann pünktlich morgens um 8:00 und endeten zwischen 16:30 und 17:00 abends. Die kinderärztlichen, kardiologisch-internistischen und gynäkologischen Sprechstunden und die ambulanten Behandlungen der Physiotherapie begannen jeweils um 9:00 und endeten in der Regel gegen 16:30.

Bei einer einstündigen Mittagspause erholte sich das gesamte Team im Rahmen des gemeinsamen Mittagessens von den Strapazen der Arbeit. Die gemeinsame Abendessenszeit war gegen 19:00.

Jeder Patient von Friendship erhält ein persönliches Behandlungsheft, in dem alle relevanten Daten und Messergebnisse wie Alter, Größe, Gewicht, Blutdruck, Körpertemperatur, Laboranalysen, Medikamente und die Angaben zur Krankengeschichte erfasst werden.

Die durchgeführten Operationen werden in der persönlichen „Krankenakte“ ebenso erfasst und dokumentiert. Die verordneten und rezeptierten Medikamente können die Patienten in der bordeigenen Apotheke sofort und kostenfrei beziehen.

Das bedeutete, daß jeden Tag ca. 150 Menschen eine medizinische Behandlung vom Team ÄCI erhielten und weitere 50 bis 75 Patienten vom schiffseigenen Optiker und einem einheimischen, bengalischen Zahnarzt behandelt wurden.

Eckdaten und Details der Mission 2023 auf dem Lifebuoy Hospitalschiff. Gesehen und behandelt wurden an 10 Arbeitstagen physiotherapeutisch 125 Patienten, kinderärztlich 276 Patienten, gynäkologisch 260 Patienten und kardiologisch-internistisch 367 Patienten. Chirurgisch und urologisch wurden 46 Patienten mit insgesamt 48 Eingriffen operiert. Zusätzlich fanden 4 gynäkologische Eingriffe im OP statt. Alles zusammen wurden also 1078 Patienten vom Team ÄCI gesehen und behandelt. Alle operativen Eingriffe konnten erfolgreich und ohne wesentliche Komplikationen durchgeführt und abgeschlossen werden. Die meisten Patienten konnten bereits am zweiten Tag, spätestens jedoch am dritten Tag nach ihrer Operation nach der morgendlichen Visite durch das Team aus dem Shelter nach Hause entlassen werden.

Das Behandlungsspektrum umfasste im Bereich Physiotherapie bei einer Altersspanne von 1 - 65 Jahren Lähmungen als Hemi-, Di- und Tetra- paresen, Plexusparesen, Polyneuropathien, ataktiche Bewegungs- störungen, Kniearthrosen, Schulter-Arm-Syndrome, ISG-Blockaden, HWS-, BWS- und LWS-Syndrome und körperlich behinderte Kinder mit verschiedenen Formen von postpartalen Zerebralparesen (spastisch, dyston, hypoton).

Das Behandlungsspektrum im Fachbereich Pädiatrie umfasste eine große Bandbreite an Hauterkrankungen, genitale Feigwarzen, Mangel- und Fehler nährung, massiven Karies, infantile Zerebralparesen, respiratorische Infekte, kongenitales Katarakt, Asthma, Bronchitis, Epilepsie, Obstipation, diverse Fehlbildungen, Mittelohrentzündungen, Down-Syndrom und Verbrennungen.

Das Behandlungsspektrum im Fachbereich Gynäkologie umfasste Infektionen mit Trichomonas und Candida, Entzündungen des Gebärmutterhalses (Cervix) und der Vulva, beginnende bösartige Veränderungen am Gebärmutterhals (CIN 1), Cystozelen, Rectozelen, Uterovaginalprolaps, Mamma-Ca, Abszesse an Vulva und perianal, Beratungen bei unerfülltem Kinderwunsch, Verhütungsbesprechungen und Vorsorgeuntersuchungen.

Das Behandlungsspektrum im Fachbereich Kardiologie und Innere Medizin umfasste coronare Herzerkrankungen, instabile Angina pectoris, subakuten Hinterwandinfarkt, kompletten AV-Block, alle Schweregrade von Diabetes mellitus bis hin zum diabetischen Präkoma, Herzklappen- erkrankungen, Vorhofflimmern, Dermatitiden und diverse Gelenk- erkrankungen.

Das chirurgische Operationsspektrum umfasste im wesentlichen die Sanierung und Reparation von Leistenhernien und Hydrozelen, sowie die Exzision von Atheromen im Genitalbereich. Gynäkologisch wurden Ausschabungen an der Gebärmutter (Abrasionen) und die Abtragung von Zervix-Polypen, sowie lokale Kryotherapie durchgeführt. Sämtliche Mitarbeiter des Friendship-Teams sprachen gut Englisch und konnten die verschiedenen Dialekte der Sprache in Bangladesh (Bangla/ Bengali) gut verständlich übersetzen. Wegen des muslimischen Hintergrundes des Landes waren körperliche Untersuchungen und Behandlungen durch nicht gleichgeschlechtliche Ärzte in Einzelfällen bisweilen schwierig.

Fazit

Die Arbeit mit Friendship Bangladesh und der Crew des Lifebuoy Floating Hospital war ausserordentlich erfolgreich, fruchtbar, erfüllend und befriedigend. Das medizinische Schiffspersonal war in höchstem Maße motiviert und engagiert, kooperativ und teamorientiert. Die Arbeits- bedingungen waren unter den gegebenen Umständen hervorragend. Empfehlungen.

Um in der Bevölkerung ein Bewusstsein für Sauberkeit und gegen die Verschmutzung der Umwelt zu erzeugen, könnte an zentraler Position auf dem Gelände des Camps eine Abfalltonne platziert werden, die dank ihrer auffälligen Farbe leicht zu erkennen ist, um den Plastikabfall aufzunehmen, der sich üblicherweise vor und auch innerhalb des Shelters ansammelt.

Rückreise

Das Team kehrte am 24. November auf der gleichen Route wie bei der Anreise mit Minibussen nach Dhaka zurück. Gemeinsam flog das ÄCI- Team am 25. November über Dubai nach München zurück.